Maschinenbau
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Foto: VDMA
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iner ersten Schätzung zufolge stag-
nierte der Jahresumsatz des ost-
deutschen Maschinenbaus im Jahr 2015
bei etwa 16,4 Milliarden Euro. Sicher-
lich hatten viele Unternehmen mehr er-
hofft. Angesichts der vielfältigen Krisen
können wir dennoch stolz auf das
Erreichte sein. Auch dürfen wir nicht
vergessen, dass sich die Branche an ei-
nem starken Jahr 2014 messen lassen
muss, in dem bei Umsatz und Beschäf-
tigung ein neues Allzeithoch erreicht
wurde. Zwei Bundesländer weichen in-
des von der allgemeinen Entwicklung
ab: Sachsen wird voraussichtlich einen
deutlich rückläufigen Umsatz verzeich-
nen – die Unternehmen aus Mecklen-
burg-Vorpommern hingegen legten
kräftig zu. Ebenso ließ sich eine ver-
gleichsweise große Heterogenität zwi-
schen den Unternehmen beobachten:
Die Spanne reichte von beträchtlichen
Marktverlusten über Wachstumsstill-
stand bis hin zu vollen Auftragsbüchern.
Ungeachtet dessen setzte sich ein-
drucksvoll die nachhaltige Personal-
politik der Betriebe fort. Im Jahr 2014
wurde erstmals seit Mitte der 90er Jahre
wieder die Beschäftigtengrenze von
80.000 durchbrochen – im Jahr 2015
lag die Zahl der Mitarbeiter im Jahres-
schnitt schätzungsweise bei circa
81.000. Wie sich die Konjunktur 2016
entwickelt, lässt sich derzeit nur schwer
abschätzen. Es ist absehbar, dass uns
auch weiterhin die globalen politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Krisen be-
gleiten werden. Trotz eines derzeit
leichten Rückenwindes in einigen Ab-
satzmärkten geht der VDMA daher von
einer erneuten Stagnation aus.
Neue Märkte ins Auge fassen
Übertriebener Pessimismus ist dennoch
fehl am Platz. Wenn auch verhalten, ex-
pandiert die Weltwirtschaft. Wir müssen
uns daher auf unsere Stärken besinnen,
alternative Märkte ins Auge fassen und
so die vorhandenen Absatzchancen nut-
zen. Eine langfristige Option könnte
sich im Iran auftun. So ist nach den
Lockerungen der Wirtschaftssanktionen
eine deutliche Belebung der Nachfrage
nach Maschinen, Anlagen, Ersatzteilen
und Services zu erwarten. Wir müssen
jedoch auch realistisch sein. Die Unter-
nehmen werden nicht nahtlos an frühe-
re Erfolge anknüpfen können. Sie müs-
sen Zeit, Geld und Personal investieren,
um die verlorenen Marktanteile zurück-
zugewinnen. Denn zwischenzeitlich ha-
ben zahlreiche Wettbewerber, vor allem
aus der asiatischen Region, Fuß gefasst.
Die Wiederaufnahme der wirtschaftli-
chen Beziehungen ist weitgehend mit
einem Neuanfang gleichzusetzen und
damit ein langfristiger Prozess. Gleich-
zeitig kann ein mögliches Iran-Geschäft
volumenstarke Auslandsmärkte nicht
ersetzen. Die deutlichen Umsatzrück-
gänge in Russland beispielsweise las-
sen sich nur zu einem Bruchteil kom-
pensieren.
Das laufende Jahr wird auch entschei-
dend für das geplante Freihandels-
abkommen TTIP sein. Wird hier eine
tragfähige Lösung erreicht, können In-
dustriegüter schneller, einfacher und
preiswerter exportiert werden. Eine
Chance, die auf lange Sicht auch dem
ostdeutschen Mittelstand zugutekom-
men wird. Doch wir stehen nicht nur vor
der Herausforderung, Geschäftsfelder
zu erweitern, technologisch neue Wege
zu gehen und alternative geografische
Märkte zu erschließen.
Politische Rahmenbedingungen
nicht optimal
Auch fragwürdige Weichenstellungen
bei den Rahmenbedingungen in
Deutschland erweisen sich als Hemm-
nisse für die Unternehmen. So bereiten
der stetig steigende administrative
Aufwand durch neue Gesetze sowie die
mangelhafte Verkehrs- und Kommuni-
kationsinfrastruktur den Firmen Sorgen.
Unter anderem behindern verzögerte
Schwerlasttransporte aufgrund maroder
Brücken und zum Teil nicht abgesicher-
ter Polizeibegleitung, Bürokratismus bei
der Erteilung von Transportgenehmi-
gungen sowie schlechte Internetanbin-
dungen und fehlendes flächendecken-
des WLAN das Tagesgeschäft. Gerade
im Hinblick auf Industrie 4.0 ist ein mo-
dernes, schnelles Datennetz unverzicht-
bar. Auf eine auch nur annähernd ver-
tretbare Netzverbindung können aber
viele Unternehmen, vor allem in der
Fläche, nicht zurückgreifen. Die Bun-
desregierung muss daher beim Ausbau
der digitalen Netze dringend ihre Haus-
aufgaben machen, um die Wettbe-
werbsfähigkeit des deutschen Mittel-
standes nicht zu gefährden.
Und auch die Gesetzgebung hinkt der-
zeit noch hinter den neuen Anforderun-
gen an die Arbeitswelt im Zuge der fort-
schreitenden Digitalisierung her.
Überzogene Regelungen für Zeitarbeit
sowie Werk- und Dienstverträge könn-
ten die Umsetzung von Industrie 4.0 in
der Breite gefährden. Denn auf dem
Weg zu Industrie 4.0 sind diese Flexibi-
lisierungsinstrumente mehr denn je un-
verzichtbar. Daher muss die Bundes-
regierung praxisnahe Lösungen mit
Raum für betriebliche und individuelle
Flexibilität und damit bestmögliche
Rahmenbedingungen schaffen. Gleich-
zeitig ist es notwendig, dass sich die
kleineren Unternehmen trotz geringerer
finanzieller und personeller Ressourcen
zügig mit dem Thema Digitalisierung
auseinandersetzen, um den Anschluss
nicht zu verlieren.
Nach wie vor gestaltet sich die Suche
nach geeigneten Fach- und Führungs-
kräften sowie Auszubildenden schwie-
rig. Dass künftig auch Asylbewerber zur
Beschäftigungssicherung des eigenen
Unternehmens beitragen können,
glaubt derzeit jeder zweite ostdeutsche
Maschinenbauer. Dabei hinterfragen die
Betriebe sehr konkret das tatsächliche
Fachkräftepotenzial, die Integrations-
möglichkeiten in den Arbeitsmarkt und
die Bleibeperspektive. Die Integration
in Gesellschaft und Arbeitsmarkt ist ein
langer, schrittweiser Prozess – ein
Großteil der Asylsuchenden lässt sich
nicht allein mit Deutschkursen und kur-
zen innerbetrieblichen Weiterbildungen
zu qualifizierten Arbeitnehmern entwi-
ckeln. Für diesen Prozess sind klare
Regelungen erforderlich. Das muss die
Regierung in ihrer Flüchtlingspolitik be-
rücksichtigen. (rp)